„Schule im Nationalsozialismus“ – Zwischen Alltag, Ideologie und Krieg 11.04.2015

Schüler der Christian-von-Bomhard Schule besuchten die Ausstellung mit Lernlabor des Schulmuseums Nürnberg.

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Am 24.03.2015 traf sich das Geschichte-W-Seminar pünktlich kurz vor 8.00 Uhr am Bahnhof in Uffenheim. Schon das Checken der Tickets war eine kleine Herausforderung, da der Fahrkartenautomat nur bestimmte Geldscheine akzeptierte.  Gespannt genossen Schüler/innen und ihre Lehrerin Frau Sturm die angenehme Fahrt teilweise durch eine romantische Nebellandschaft und dabei gut gelaunt durch die immer mehr hervorblitzende Morgensonne. Alles klappte, sodass alle 15 Kursteilnehmer/innen mit ihrer Leiterin ganz nach Plan in Nürnberg eintrafen und die Straßenbahn Nr.8 die interessierte Truppe geradewegs bis vor das Schulmuseum brachte, das im Museum Industriekultur untergebracht ist.

Zunächst bot sich ein allgemeiner Überblick über die Schulentwicklung von den Anfängen bis heute an. Bereits hier wurden einige der Oberstufenschüler fündig und sammelten Hinweise und Material für ihre Seminararbeit. Nach diesen Anregungen wurden im Aufenthaltsraum die Pausenbrote verzehrt und der Durst gestillt (Es war hier ungewöhnlich warm). Inzwischen war es Zeit für die Sonderausstellung zum Schulalltag im Großraum Nürnberg, Fürth und Erlangen in den Jahren 1933 bis 1945, auf die sich der Kurs gut vorbereitet hatte. Dennoch lasen die Teilnehmer am Eingang Hitlers Motto zur Erziehung der Jugend mit sehr gemischten Gefühlen: „Der völkische Staat hat […] seine gesamte Erziehungsarbeit in erster Linie nicht bloß auf das Einpumpen bloßen Wissens einzustellen, sondern auf das Heranzüchten kerngesunder Körper“ (Hitler, Mein Kampf). Damit ist heute jedem die Ideologisierung von Schule und Unterricht klar: Die in den Originalschulschränken ausgestellten Schulbücher, Aufsätze, Schülerhefte, Fotos und Urkunden zeigen den Führerkult und die Begeisterung ebenso ungeschminkt wie den Judenhass, die Rassenkunde, Zwangssterilisierung, Verleumdung, Skepsis und Widerstand, die vormilitärische Erziehung der Kinder und Jugendlichen, die Krieg als Abenteuer erfahren sollten und im Sportunterricht auf ihren Kriegseinsatz vorbereitet wurden. Briefe, Fotos, Ausweise, Tagebucheintragungen, Kinderzeichnungen, Kriegsspielzeug, usw. geben Zeugnis von der Schule im Bombenkrieg und dem Kriegseinsatz von Schülern, von Opferbereitschaft und Opfertod. Vor allem Paul Bayer, dessen Werdegang vom Hitlerjungen zum HJ-Führers dargestellt wird, begegnet dem Betrachter während des Besuchs der Ausstellung immer wieder: als Fünfjähriger auf dem Schaukelpferd, als Schulkind, dann 1938 in der HJ-Uniform, 1942 als HJ-Führer. So liest man seinen Einberufungsbefehl zum Kriegsdienst vom 2.02.1943 und ist erschüttert von der Todesanzeige für den 17jährigen, der vier Wochen später beim Bombenangriff am 8./9.03.43 auf seine Flak ums Leben kam.

Die Dokumente fordern also geradezu zur Auseinandersetzung heraus. Ganz still und hochkonzentriert beschäftigten sich die Schüler selbsttätig mit den Themen dieses Lernlabors. Die Lernstationen wurden in Zusammenarbeit mit Mittelschulen und Gymnasien aus der Region entwickelt. Das sei etwas ganz Einmaliges, so Dr. Mathias Rösch, der Leiter des Schulmuseums Nürnberg, der die Uffenheimer extra begrüßte und sich über deren Aufmerksamkeit und hohe Motivation freute. Obwohl in Eile und auf dem Weg zum nächsten Termin, beantwortete er Schülerfragen und wies auf einzelne Dokumente besonders hin. Seine Begeisterung und sein Engagement konnte die Kursleiterin des W-Seminars „Schule früher und heute“ bereits in den vergangenen Sommerferien erfahren, als sie ihn im Archiv des Schulmuseums der FAU Erlangen-Nürnberg kennen lernte und bereits einen Einblick gewann. Deshalb freute sie sich über diese zufällige Begegnung, da er sich mit seinem Kollegen ihren Schülern als die Hauptverantwortlichen vorstellte. Ohne deren mühevolle Vorarbeit und Organisation wäre das Projekt nicht möglich gewesen.

Alle etwa 250 Exponate aus dem Raum Nürnberg, Fürth und Erlangen zeigen, wie die Kurzzusammenfassungen der Tafeln aussagen, die „Normalität und die Abgründe einer menschenverachtenden Diktatur aus der Perspektive des Schulalltags, aus dem Blickwinkel von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen“. Durch die vielen Ausschnitte und kurzen Einblicke stellt sich unweigerlich auch „die Frage nach der Aktualität der Ereignisse und ihrer Relevanz für heute.“

Eine sehr anspruchsvolle und gelungene Ausstellung, die nicht nur Schüler und Lehrer herausfordert und noch lange beschäftigt. Ein besonderer Erkenntnisgewinn durch die direkte Konfrontation mit der Realität des Schulalltags in den Jahren 1933 bis 1945!


Text: Brigitte Sturm
Bilder: Philip Böcker

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