Pfarrer Thomas Reime bezeichnet sich selbst als „Ossi“ und erzählte den „Wessis“, die sich im Atrium der Christian-von-Bomhard-Schule zu seinem Vortrag versammelt hatten, ganz viele Geschichten aus seinem Alltag als Pfarrer in der DDR. Gebannt lauschten die ca. 200 Jugendlichen der Klassen zehn bis zwölf (die Schularten Realschule, Gymnasium und FOS waren eingeladen gewesen) den Worten des Gastes. Der Schulleiter OStD Winfried Malcher begrüßte den Gast sehr herzlich und dankte vor allem seinem Kollegen Martin Luther, der den Kontakt mit dem Redner hergestellt hatte. Ob dieser Kontakt im Urlaub in Kroatien zwischen Reime und Luther rein zufällig war oder Fügung, formulierte der Gast so: „Zufall ist das Synonym Gottes, wenn er nicht unterschreiben will“. Der am 1. September 1944 im Bombardement in Leipzig geborene zeigte sich erfreut, dass er die Möglichkeit hatte, vor so vielen jungen Leuten aus seinem bewegten Leben zu erzählen.
Sehr persönliche Eindrücke eines „Ossis“ 10.03.2018

Er wuchs im Unrechtsstaat DDR auf und schon früh zeigten sich erste Probleme mit dem Regime: Jedes Kind wurde ab dem 1. Schultag „Jungpionier mit blauem Halstuch“. Doch der „kleine“ Thomas wollte nicht jeden Früh dem Lehrer auf dessen: „Seid ihr bereit?“ mit „Immer bereit“ antworten. Die Nähe zum Dritten Reich Hitlers – und diesen Vergleich zog Herr Reime mehrfach – ist unübersehbar! Reime weigerte sich beizutreten und bot auch ansonsten dem Staat immer wieder die Stirn; so zum Beispiel bei der verpflichtenden Jugendweihe. Aufgrund seiner Haltung war er „täglich Schikanen in der Schule ausgesetzt“; es fanden immer wieder endlose und demütigende Gespräche mit dem Direktor statt. Zuerst sitzt der Staat am längeren Hebel – Herr Reime darf die erweiterte Oberschule nicht besuchen.
Doch über Umwege gelingt es ihm, seinen ersten Beruf, Förster, zu erlernen. Dadurch dass Herr Reime ständig „die Erziehung zum Hass auf die imperialistische BRD“ eingetrichtert bekommt, reift sein Entschluss, Pfarrer zu werden und sich „in den Dienst der Kirche zu stellen“. Während des Studiums und des Vorbereitungsdienstes hat er permanent mit den Drohungen, Einschüchterungen oder Verleumdungen des DDR Staates zu kämpfen. In „Don Camillo Manier“ wehrt er sich mit Cleverness, Raffinesse, Kompromissen, Sturheit und gesundem Menschenverstand. Stolz ist der Redner, dass er mit seiner Haltung, dem Staat die Stirn zu bieten, viele Nachahmer gefunden hat, denen er Mut gemacht hat. Dies galt für Freunde und Bekannte in der Jugendzeit, als er nicht Pionier wurde, genauso wie als Erwachsener, als er sich gegen die Stasi stellte.
Nachfragen gab es nicht nur durch die beiden Schülerinnen der Q 12 Lydia Oehler (links) und Carolin Lampe (rechts), sondern auch durch das Publikum. Die aufmerksam lauschenden Jugendlichen wollten beispielsweise wissen, ob Herr Reime je daran gedacht habe, dass die DDR untergehe. Ehrlich gab der Pfarrer zu, dass er zwar gehofft habe, dass es eine Wiedervereinigung gegen wird, aber er im Grunde seines Herzens nicht damit gerechnet habe. Trotz allem habe er immer dafür gekämpft, obgleich die Resignation im DDR Staat riesig war. Wie tief seine Enttäuschung nach der Wende war, als er erfuhr, dass er von 23 Spitzeln der Stasi rund um die Uhr überwacht wurde, merkt man ihm noch an, denn darunter waren etliche enge Freunde. „Wie perfide das war, das kann man sich gar nicht vorstellen.
Dennoch hätte er sich gefreut, wenn diese Leute nach dem Mauerfall ein Gesprächsangebot von ihm angenommen hätten und er manches hätte klären können. Nur vier der 23 gingen darauf ein. Viele tief gehenden Fragen des Publikums zeigten, wie aufmerksam man den Vortrag verfolgte. Dies bewies ebenso der lang anhaltende Applaus. Im Anschluss an die Veranstaltung lud Schulleiter Malcher noch Klassensprecher, Elternbeirat und den Gast auf die Lounge ein, wo die Schülerfirma „Bomfood“ Häppchen und Getränke bereitgestellt hatte. So konnte noch das ein oder andere interessante Gespräch zwischen dem „Ossi“ und den anwesenden „Wessis“ geführt werden nach diesen kurzweiligen 60 Minuten.