Our Private Roman Holiday 27.05.2025

“Rome! By all means, Rome. I will cherish my visit here in memory as long as I live.”
Dieses Zitat aus dem Audrey-Hepburn Film “Roman Holiday” hatte hohe Erwartungen an die Stadt der Sieben Hügel ausgelöst. Erträumt hatten wir uns Gelato auf den Spanischen Treppen, charmante blumenbewachsene Seitengässchen und den Tiber im Sonnenuntergang. Bekommen haben wir sintflutartige Regengüsse, einen Kriminalfall und einen grölenden Bus – ohne zu zögern ist unser Rom der idealen Hepburn-Fassade vorziehen.
Es verändert einen Menschen, nach einer endlosen Reise mit eingeschlafenen Beinen und lukrativem Glücksspiel in den hinteren Busreihen, die Kuppel des Petersdoms über sich zu haben. Hinaufzusteigen, unter sich die Stadt, die Fassaden der Häuser leuchteten in ockerfarbenen Tönen. In eben jenen ockerfarbenen Tönen leuchteten die Nacken der armen Kreaturen, die sich noch nicht an die südliche Sonne gewöhnt hatten. Und schlussendlich, Michelangelos Statue der Pietà, den Leib Christi, bis auf die letzte Ader ausgefeilt auf den Knien der Maria zu sehen. Vollkommen überhitzt und übersättigt an Eindrücken hätten wir uns zu gerne an Ort und Stelle auf die Steine des Petersplatzes gelegt – doch diese Ruhe würde uns für den Rest der Reise verwehrt bleiben…
Doch wer braucht Ruhe – Ruinen sind das einzig Wahre! Und so ging es, nach einem tragischen Zwischenfall, bei dem unser Professore Lockl auf verbrecherische Weise um seinen Rucksack samt Regenjacke gebracht worden war, stetig weiter, über den Fontana di Trevi (in dem wir pflichbtbewusstunser Erspartes versenkten, schließlich wollten wir zurückkehren!) und ins Pantheon. Versprochen war, dass durch das klaffende Loch der Kuppel selbst bei Regen kein Wasser hereindringen könne - der feuchte Boden sei, aus höflichen Gründen, hier nicht erwähnt. 
Ja, an historischen Gebäuden mangelte es nicht – während das Forum Romanum die Herzen des Lateinkurses höher schlagenließ, genossen andere die grün-gefiederten Papageien im Kolosseum. Endlich bot der Palatin, der malerischste Hügel Roms, den lang ersehnten Schatten. Hier hatte auch der Dichter Catull gelebt, ein etwas rätselhaftes Zitat seinerseits: “ipsa olera olla legit” – der Topf selbst sucht sich das Gemüse– und was für großartige Dinge sich der Topf aussuchte! Pizza und Bruschetta waren der Treibstoff, mit dem wir uns für die lange Odyssee vor die Tore Roms auftankten – es sollte in die Hafenstadt Ostia gehen, wo uns Mosaikfliesen der Badeanstalten erwarteten. Ach, eine Abkühlung…. Wasser… Kurz darauf erstreckte sich das endlose Meer vor uns – in das wir unsere Zehen tippten, so viel war sogar ohne Sportlehrkräfte erlaubt.
Die endlosen Weiten des Meeres wurden stark kontrastiert von den schier endlosen Tiefen (bis zu 20 Meter) der Katakomben. „Iiih, eine Wirbelsäule!“ (Iiih, una columna vertebralis!) hallte ein erschrockener Schrei von den Wänden wieder.
Ausgelaugt vom vielen Laufen (immerhin waren wir schon fast fünf Stunden unterwegs gewesen, ohne ein Eis gegessen zu haben!), schlief der gesamte Kurs im Bus ein. Eine Gelegenheit, die prompt vom Lehrertriumvirat Lockl/Pfaff/Jacobsen ergriffen wurde – es könnten kompromittierende Fotos für die Abschlussfeier entstanden sein, doch Genaueres ist noch unbekannt. 
Frisch ausgeschlafen blieben wir selbstverständlich die gesamte nächtliche Busfahrt wach – zumindest körperlich. Aus Gründen eines Schweigegelübdes darf nur gesagt werden, dass die Nürnberger Clubhymne die schlafende römische Bevölkerung (und vor allem Herrn Lockl) erfreut haben dürfte.
Der letzte Tag, ein freier Tag, ein Tag des Abschieds- und Fußschmerzes. Einige versuchten ihn in endlosem Shopping-Konsum, andere auf rasenden E-Rollern zu bewältigen. Man munkelt, es sollen sogar dankbarerweise heimlich Fotos der Sixtina unter professioneller Hilfe einer Lehrkraft entstanden sein… Ein verwackeltes Bild von Gottes und Adams Händen tröstet über den Verlust hinweg.
Goethe schrieb während seiner italienischen Reise in Rom „Alle Träume meiner Jugend seh‘ ich nun lebendig!“ Zwar traten wir am Ende mehr tot als lebendig unseren Rückweg an, aber von der Ewigen Stadt werden wir alle noch lange träumen.


Text: Thomas Jacobsen
Bilder: Thomas Jacobsen